In grauer Vorzeit soll die Breitach durch diese Klamm geflossen sein. Sie häufte im Laufe der Jahrtausende Unmassen von Kies und Sand auf den „Riedar Biechl“.
Der„ Riedbach“Ölbild von H. Geiselmann schlängelt sich als ein schmales Bächlein durch das Tal, vereinigt sich mit dem“ Falleba,“ aus der Sturmannshöhle, sucht sich seinen Weg durch die „Lochlite“ nach Langenwang, heißt dann Rotfisch und begründete schon in früheren Zeiten durch seinen ungeheuren Fischreichtum den Namen Fiskingun , das heutige Fischen, eh er in die Iller fließt .Nahe liegend wäre die Verbindung von dem Fischreichtum zu St. Verena ,der Fischinger Kirchen- Patronin, die ja bekanntlich auch als Heilige der Fischer gilt. Sie wird in vielen Kirchen mit einem Fisch in der Hand dargestellt. Es gibt schöne Legenden über diese in vielen Gemeinden verehrte Heilige.
Daß so viele Rieder steinalt wurden , lag nach Meinung unserer Vorfahren an dem guten Wasser, das vom Schwarzenberg kommt und das bis 1936 in „ Holz-Deícheln“ in die Dorfbrunnen geleitet wurde.
Als 1634 die Pest im Oberallgäu wütete, ist ihr nicht ein einziger „Riedar“ zum Opfer gefallen ! Auch das, glaubte man, kam von dem guten Wasser !
Der Sage nach, soll hier ein Hirsch , von einem Luchs verfolgt, mit einem gewaltigen Sprung über die Klamm gesprungen , und somit entronnen sein.
Diese Geschichte glaube ich nicht ; Die Landvermesser , die nach 1806 im Auftrag des bayrischen Königshauses der Wittelsbacher von Napoleons Gnaden, kamen oft aus entfernten Gegenden und verstanden kaum ein Wort des Allgäuer Dialektes. Die alten Rieder sprachen nie vom Hirschsprung sondern nur vom „Ürschprüng „Kann ein Kartenschreiber aus Franken das unterscheiden?
Mit „Ürschprüng“ meinten sie den Ursprung des Ried-Baches, der unmittelbar unter dem Felsentor aus dem Boden sprudelt. Ich behaupte die Sage von dem Hirsch, der auf der Flucht vor einem Luchs über diese fast 40 m breite Klamm gesprungen sein soll, ist ein falsch verstandenes und falsch niedergeschriebenes Märchen.
Ausserdem wird ein gesunder Hirsch ( der so weit springen kann) nie vor einem Luchs fliehen, er würde sich ihm stellen und die Raubkatze in die Flucht jagen !
Ganz früher sprach man von den „Vorderlochern“, womit die Bewohner nördlich vom „Lo“ (Loch) gemeint waren und den „Hinterlochern“, den Bewohnern südlich des Felsentores.(Tiefenbach). Die Strasse führte über die „Lostaig“ zum „Lo“ hinauf und war wesentlich steiler als heute.
Solang die Strasse an der Breitach entlang nach Oberstdorf nicht bestand, bis ca .1900, ging der ganze Verkehr von Fischen nach Tiefenbach durch diese enge Schlucht.
Schon früh suchten die Bürger von Ried und Obermaiselstein den Schutz des Allmächtigen zu erflehen, in dem sie Bildnisse des gekreuzigten Heilandes anbrachten. So ließen sich ein paar Rieder schon in den1960ger Jahren es sich nicht nehmen, ein Bildstöckle , am Fuß der steilen Wand um ca. 1700 erstellt, dem modernen Verkehr aus dem Weg zu nehmen, und an erhöhter, geschützter Stelle, neu zu errichten.
Noch wichtiger, schien es den Rieder Bauern, ein Kreuz an der Felswand zu befestigen, ( ca. 1900) das die Fuhrwerke und Menschen vor Steinschlag beschützen sollte.
Wie mir „Aplars Otto“, (Otto Miller) Ortsvorsteher von Ried und späterer Bürgermeister von Obermaiselstein* 1901 bis +1969, glaubhaft versicherte, ist seit dem Anbringen des Kreuzes an der Westwand des Hirschsprungs, trotz vieler großer Felsbrocken, die auf die Strasse fielen, nie jemand durch Steinschlag verletzt worden…..
Viele Buben unserer Generation sind im Hirschsprung zum Klettern gegangen, es gibt kaum eine Kante dort, die nicht ausprobiert wurde.
Durch einen ausbrechenden Haken sind mein Bruder Gustel und ich , einmal rund 30 m hinunter auf einen Steilhang gestürzt, der uns durch weichen Schnee abfing und dadurch am Leben ließ .Mancher rostiger „ Nagel“ zeugt noch heute von unseren Versuchen.
Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde das Kreuz aus der unteren Wand in die etwas höher gelegene Höhle versetzt.
Es ist dort vor Regen und Schnee besser geschützt.
Auch in Ried, Gemeinde Obermaiselstein sind tatkräftige, Männer , den alten Geschlechtern entsprossen, die sich wohl der Moderne anpassen, aber auf ihrem uralten Stolz
„Mir sind Riedar !“ beharren.
Alle fühlen sich geborgen und daheim, am Fuß des Schwarzenberg- und Ochsenberges, am Hirschsprung , am „Ried-Bach“ und sorgen dafür, daß würdige Dinge erhalten, und für spätere Generationen bewahrt bleiben.
So übergaben sie jetzt den Christus einem fähigen Restaurator, Otto Diringer ,aus Sonderdorf.
Albert Besler , ein junger Rieder Zimmermann, fügte neue, eichene Balken in der Form des alten Kreuzes zusammen.
Eine wetterfeste Kiste soll in der Höhle am Hirschsprung-Kreuz Namen der Einwohner und Bilder unserer Zeit aufnehmen, um Kunde zu geben von der, immer wieder, wenn es wirklich darauf ankommt, funktionierenden Einigkeit im Dorf!
Theodor Pinn * 1935, im Mai 2009