1945 und Trachten?

Rückblick Januar 2005

tracht1945

Bild: Düssars Fehla 1945

Susi Waldmann, von Obermaiselstein, geb. 1924, heute also 81 Jahre alt, erzählt:
Im Jahr 1945 wurde aus dem Tiefpunkt Deutschlands, aus den Engpässen der Bezugscheinwirtschaft, im Oberallgäu, eine neue, Obermaiselsteiner Tracht, geboren.

In Langenwang war in den Wirren des Umsturzes ein deutscher Güterzug stehen geblieben. Die Waggons waren gefüllt mit großen Ballen blauen Stoffes. Auch große Mengen von blaugrauem Faden auf Holzspulen, wurden ausgeladen. Im Nu sprach es sich herum, dass die Ware niemanden gehörte und alles was laufen oder tragen konnte, eilte nach Langenwang zu dem kleinen Bahnhof. Auch Reste von Militärstoffen für die Uniformen der Wehrmacht, wurden dort ergattert. Im ganzen oberen Illertal tauchten danach, Kleider, Röcke in dem blau-grauen, matt glänzenden Stoff auf. Alles was schneidern konnte, nähte sich etwas daraus zusammen. So auch neben anderen Maiselsteinerinnen, Hilde und Susi Dauser.

Weiße Blusen fand man noch in Omas Aussteuer Schränken, oder zu mindest das Leinen, oder gar Uromas` Nachthemden, wurden zu „Trachtenblusen“ um funktioniert. Dazu wurden schmucke blaue Röcke, manchmal sogar getupft, nach alten Mustern zurechtgeschnitten und genäht.
Die vom Hakenkreuz befreiten, roten Fahnen, lieferten den Stoff für die Schürzen und schmückten jetzt die Maiselstuinar Fehla , statt der Propaganda eines untergegangenen Reiches zu dienen.

Weisse Strümpfe strickte man aus aufgeribbelten Baumwolltüchern , oder aus selbst gesponnener Schafwolle.
Die Mieder wurden aus „langen schwarzen Röcken“ aus der Jahrhundertwendezeit genäht.
So entstand aus der Not der Zeit geboren, eine adrette, wirklich im Oberallgäu „gewachsene Tracht“, die aber ,(eigentlich schad drum,) als die Zeiten wieder besser wurden, aufgetragen, abgelegt und nicht mehr weiter gefertigt wurde. Schließlich gingen auch, parallel mit der zunehmenden Demokratisierung in den deutschen Köpfen, die Bestände der roten Diktatorfahnen zu Ende.

Der frühere Bürgermeister und Schneider Josef Kling aus Obermaiselstein , baute auch dem Autor, mir aus „Langenwanger“ Wehrmachtstoffresten einen schönen Trachtenkittel und Knickebocker Hosen, die er aus einer bereits getragenen Gebirgsjäger -Keilhose zusammentüftelte , indem er die gute, noch nicht so abgewetzte Innenseite, nach außen kehrte.

theo-bubFür den grünen Stehkragen und die Absetzungen an den Taschen, opferte eine Nachbarin, eine grüne Tischdecke.
Ich habe den Kittel heute noch.
Voll Stolz ging ich in meinem neuen Häs zum Friseur und, zum Fotografen für mein erstes Passbild.